„Schwerter zu Pflugscharen!“ (von Pfarrer Volker Mihan, Herrnhuter Brüdergemeine Neugnadenfeld)
Liebe GN-Leserinnen und -leser,
1958 erschuf der sowjetische Bildhauer Jewgeni Wutschetitsch für die Tretjakow-Galerie in Moskau eine drei Meter große Bronzeskulptur: Ein kräftiger Mann, der ein Schwert zu einer Pflugschar umschmiedet. Ein Kriegsgerät zu einem Werkzeug, das man für die Erzeugung von Lebensmitteln braucht. Heute würde er wahrscheinlich dafür vom Putin-Regime inhaftiert werden …
Vor 63 Jahren schenkte Nikita Chrustschow diese Skulptur „Schwerter zu Pflugscharen“ der UNO. Mitten im Kalten Krieg nähten wir Jugendliche uns in der DDR diese Abzeichen an unsere Parkas, um damit gegen die Aufrüstung zu protestieren. Unsere LehrerInnen und Parteifunktionäre zwangen uns, sie abzutrennen. Das taten wir zwar, markierten aber die Stellen am Arm auffällig mit einem gelben Rand aus Farbe, so dass alle wussten: Hier gehörte mal was dran… Die Textilaufnäher wurden damals bei der Firma „Dürninger“ im sächsischen Herrnhut an der Zensur der DDR vorbei gedruckt und zum Symbol der Friedens- und Abrüstungsbewegung in Ost und West angesichts drohender Stationierungen von Raketen auf deutschem Boden.
Micha 4,3: „Er wird Recht schaffen zwischen vielen Völkern und mächtige Nationen zurechtweisen bis in die Ferne. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht mehr das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg.“
Niemals hätte ich gedacht, dass diese Worte und dieses Symbol noch einmal in unserer Zeit so drängend wichtig werden sollten. Es zeigt, dass wir niemals fertig sind mit dem „Umschmieden“ von lebensfeindlicher Gewalt in lebensdienliche Kooperation, die nicht mehr mit Drohungen und Rüstung abgesichert werden muss.
Spätestens jetzt, mit Bildern weinender Kinder und naherückender Panzer vor Augen, ist klar: wirklicher Friede entsteht niemals durch den Versuch der Absicherung mit Abschreckung.
Friede kommt allein dadurch, dass wir auf alle Sicherungen verzichten und Frieden wagen lernen.
Das Lernen von Frieden ist uns noch lange nicht in Fleisch und Blut übergegangen – ganz gleich, ob bei dem Propheten Micha, im Kalten Krieg zwischen Ost und West, in den Konflikten und Ungerechtigkeiten zwischen Nord und Süd und jetzt wieder angefacht durch wahnsinnige Machthaber in Russland. Immer leiden auf allen Seiten Menschen im Krieg.
Mag sein, dass wir jetzt erst einmal sichern müssen, dass nicht noch mehr Unheil und Elend entsteht. Mag sein, dass Sanktionen und Waffenlieferungen Despoten und ihr Gefolge stoppen müssen, die unser bisheriges Versagen erst so mächtig gemacht haben.
Aber für alle Zukunft: Friede kann nur gelernt und gewagt werden! Alle miteinander – jenseits jeglicher Grenzen. Das ist unsere gewaltige Aufgabe, nie zu vergessendes Gebot und keine offene Frage, die man diskutiert. In Gottes Armen sind niemals Waffen zu finden.
Wort zum Sonntag vom 2. April, erschienen in der Grafschafter Nachrichten (GN)
(Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Pfarrer Volker Mihan, Herrnhuter Brüdergemeine Neugnadenfeld)