„Mehr Mut zum Zivilen Frieden“
AGDF übt deutliche Kritik an neuer EKD-Friedensdenkschrift
Die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) hat sich kritisch zur neuen Friedensdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geäußert. In ihrer Stellungnahme warnt der Friedensverband davor, dass die Denkschrift die Prioritäten in der evangelischen Friedensethik grundlegend verschiebe: Weg vom Primat der Gewaltfreiheit, hin zu einem stärkeren Fokus auf militärische Verteidigungsfähigkeit.
Verschiebung des Verständnisses vom gerechten Frieden
Die AGDF sieht darin eine Abkehr vom bisherigen Konzept des „gerechten Friedens“, das auf einer Doppelbewegung von Gewaltminderung und Gerechtigkeitsförderung beruhte. Stattdessen folge die neue Denkschrift, so der Verband, der „Logik der Zeitenwende“ und räume dem Schutz vor Gewalt durch militärische Stärke Vorrang ein. Damit trete der Gedanke zurück, dass echter Frieden immer auch durch die Zunahme von Gerechtigkeit wächst.
„Diese Fokussierung auf nationale Verteidigungsfähigkeit schwächt das internationale Recht und die globalen Institutionen, die allein Macht und Gewalt der Stärkeren begrenzen können“, heißt es in der AGDF-Stellungnahme. Schutz vor Gewalt dürfe kein Privileg der Mächtigen werden.
Kritik an der Überschätzung militärischer Mittel
Besorgt zeigt sich der Friedensverband auch über eine aus seiner Sicht deutlich veränderte Bewertung militärischen Handelns. Die Denkschrift betone, militärisches und ziviles Handeln müssten zusammengedacht werden – in der Praxis werde aber vor allem militärisches Handeln als wirksamer Schutz vor Gewalt hervorgehoben.
Damit, so die AGDF, werde übersehen, dass militärisches Eingreifen häufig an seine Grenzen stoße, sobald ein Krieg ausgebrochen sei. Nachhaltiger Friede könne nur durch den Ausbau starker Institutionen, gerechter Strukturen und sozialer Resilienz entstehen, Ziele, die auch in den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen betont werden.
Zivile Konfliktbearbeitung zu schwach gewichtet
Deutlich weist die AGDF auf ein weiteres Problem hin: Die neue Denkschrift unterschätze die Möglichkeiten und die Wirksamkeit ziviler Konfliktbearbeitung. Zivile, demokratische und gewaltfreie Wege würden rhetorisch als unrealistisch dargestellt, anstatt sie als tragfähige Alternativen zu fördern.
Dabei hätten Fachorganisationen für Friedensforschung, Konflikttransformation und Friedensbildung wertvolle Beiträge leisten können, um Grenzen und Potenziale ziviler Ansätze realistisch abzubilden. Diese Perspektiven seien, so die AGDF, jedoch in die Denkschrift nicht eingeflossen.
Fehlende Zukunftsperspektive
Besonders kritisch sieht der Verband, dass die Denkschrift keine klare Zukunftsperspektive entwirft. Zwar erkenne sie an, dass zivile Konfliktbearbeitung mehr Ressourcen erfordere, doch bleibe sie den Vergleich mit den milliardenschweren Aufrüstungsprogrammen schuldig.
„Kirchen und Zivilgesellschaft sollten sich nicht nur innerstaatlich für Rechtsstaatlichkeit einsetzen, sondern auch international Prozesse stärken, die Macht beschränken und völkerrechtswidrige Kriege verhindern können“, fordert die AGDF. Ein solcher Blick nach vorn, getragen von Hoffnung und Mut, fehle in der Denkschrift.
Hoffnung als aktive Friedenskraft
Insgesamt erkenne die AGDF in der neuen Denkschrift eine Tendenz zur politischen Realismusrhetorik. Gottes Friede werde als „Ewiger Friede“ beschrieben, der auf Erden nie erreichbar sei. Damit, so der Verband, werde die biblische Botschaft geschwächt, dass Gottes Friede bereits jetzt wirksam ist und in konkreten Schritten Gestalt gewinnen kann.
„Von einer Kirche, die aus der Hoffnung lebt, erwarten wir, dass sie Mut macht – Mut zu zivilem Handeln, zu Kooperation und zur Kraft des Glaubens, dass Frieden möglich ist“, betont die AGDF. Friedensarbeit brauche Vertrauen in diese Friedenskraft, nicht ihre Relativierung.
Ein Aufruf zum Dialog
Die Kritik der AGDF ist kein Angriff, sondern ein Einladung zum theologischen und gesellschaftlichen Dialog. Sie fordert dazu auf, neu zu fragen, wie evangelische Friedensethik im 21. Jahrhundert aussehen kann – in einer Welt, die von Unsicherheit, Aufrüstung und Klimakrise geprägt ist.
Gerade im Rückblick auf die FriedensDekade 2025 mit ihrem Motto „Komm den Frieden wecken“ erinnert die Stellungnahme daran, dass Frieden kein Zustand, sondern ein Prozess ist: ein gemeinsames Ringen um Gerechtigkeit, Vertrauen und Gewaltfreiheit.
Mehr erfahren:
Die vollständige Stellungnahme der AGDF ist unter www.friedensdienst.de abrufbar.
Die ganze EKD Friedensdenkschrift 2025 finden sie auf EKD.de
Weitere Impulse, Interviews und Stellungnahmen finden sich im Blogbereich auf www.friedensdekade.de.




