Ein Impulstext zum Jahresmotto der Ökumenischen FriedensDekade in 2025
Einleitung
Frieden ist kein Selbstläufer. Er braucht Menschen, die ihn schützen, stärken und gestalten. Das Motto der Ökumenischen FriedensDekade 2025, „Komm den Frieden wecken“, ruft dazu auf, nicht in Resignation zu verharren, sondern aktiv Verantwortung zu übernehmen – für ein gerechtes, friedliches Miteinander, vor Ort und weltweit.
Jan Gildemeister nimmt diesen Gedanken auf und stellt die drängende Frage: Warum engagieren sich so wenige für die dringend notwendigen Veränderungen? Was hält uns zurück? In seinem Impuls zeigt er auf, dass Frieden nicht nur eine politische Aufgabe ist, sondern auch von unserem persönlichen Handeln abhängt.
Komm den Frieden wecken ein Impuls von Jan Gildemeister
Die Aussage von Erich Fried „Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt“ hat angesichts der vielen Krisen und Herausforderungen nicht an Bedeutung verloren: Klimakrise und Artensterben, mit militärischer Gewalt ausgetragene Konflikte, Ungerechtigkeit und Armut – die Liste ließe sich fortsetzen. Mir stellt sich die Frage, warum sich nur relativ wenige für dringend notwendige Veränderungen einsetzen. Wir erleben, dass viele nicht auf Gewohntes verzichten möchten, andere lieber „das Politische“ ausblenden oder sogar auf „Rezepte“ von gestern setzen: (neoliberales) Wirtschaftswachstum mit Kürzungen im sozialen Bereich, militärische Stärke, Nationalismus etc.
Wieder andere verharren in einer Zuschauer*in-Rolle, anstatt sich aktiv für eine bessere Welt einzusetzen. Wer hat nicht schon einen der folgenden Sätze in ähnlicher Form gehört oder selbst gedacht: Die weltweiten Krisen und Herausforderungen sind so groß, da kann ich ja sowieso nichts bewirken. Sollen doch die anderen ihr Verhalten ändern, die noch mehr CO2 verursachen. Wenn ich in diesem oder jenem Gespräch auf rassistische Äußerungen oder unökologisches Verhalten hinweise oder mich dagegen aktiv werde, mache ich mich nur unbeliebt, bekomme Ärger.
Hier setzt das Motto „Komm den Frieden wecken“ der Ökumenischen FriedensDekade an. Es soll auch diejenigen wachrütteln, die angesichts von Verzweiflung und erlebter Hilflosigkeit ermüdet sind. Es fordert auf, Verantwortung für seinen eigenen Lebensstil, sein (Nicht-)Handeln, für Andere und die (Um-)Welt zu übernehmen.
Das „Komm“ gilt nicht nur mir als Individuum, es wendet sich auch an Kirchengemeinden, Gruppen, Vereine, Gemeinschaften oder Kommunen. Wenn wir uns gemeinsam mit anderen engagieren, verlieren wir nicht Mut und Hoffnung, wir können uns gegenseitig stärken. Gemeinsam entwickeln wir größere Kraft und können mehr erreichen.
Wer bereit ist „den Frieden zu wecken“, hat noch nicht die Zuversicht verloren. Ja, es gibt Friedenspotentiale, die geweckt werden können! Eine Bekannte berichtete mir, dass sie sich zusammen mit einer Freundin in ihrem Dorf gegen rechtsradikale Aktivitäten engagiere. Neben dem wohl unvermeidlichen Hass stieß dies auf viel Zustimmung, andere haben sich der schnell wachsenden Initiative angeschlossen. Nun blicke sie optimistischer in die Zukunft. Dass dieses lokale Engagement zumeist auf fruchtbaren Boden trifft, lassen die Demonstrationen an sehr vielen Orten der Republik Anfang 2024 erwarten. Ähnliche Erfahrungen machten und machen Menschen, die sich für regenerative Energieträger oder für Geflüchtete und Bedürftige einsetzen. Viele Mitgliedsorganisationen der AGDF sind auch vor Ort aktiv: Sie erinnern an Gräuel des Nationalsozialismus, unterstützen zu uns Geflüchtete in deren Engagement, sorgen dafür, dass „ihr*e Bürgermeister*in“ sich (weiter) bei den Mayors for Peace[1] engagiert, begleiten konfliktreiche Prozesse wie den Bau einer Moschee oder koordinieren „Bündnisse gegen Rechts“. Vielfältig ist zudem ihr Friedensbildungsangebot. Wichtig ist ihnen, den Bogen zwischen den Problemen und Aktivitäten vor Ort und den weltweiten Zusammenhängen zu spannen.
Friedenspotentiale lassen sich vor Ort in Deutschland wecken, aber auch in Kooperation mit Partnern in anderen Ländern. Was beispielsweise als Initiative aus Deutschland zur Linderung von Not begann, geht über zu vielfältigen Projekten in gemeinsamer Verantwortung. So engagierte sich der Friedenskreis Halle angesichts der Folgen des Krieges im ehemaligen Jugoslawien humanitär in Bosnien-Herzegowina (Jajce), daraus entstanden Projekte der Jugendbildung, die mittlerweile vom dortigen Partner eigenständig fortgeführt werden[2]. Neben Aktivitäten, die auf Probleme vor Ort reagieren, gibt es auch gemeinsame Programme von Partnerorganisationen verschiedener Länder, die Brücken schlagen und interkulturelles Lernen ermöglichen wie internationale Jugendbegegnungen, Workcamps und – so auch beim Friedenskreis Halle – Freiwilligendienste. Ein anderes Beispiel: Nach der katastrophalen AKW-Unglück 1986 in Tschernobyl wurde ein Ferienprogramm für Kinder aus Belarus gestartet, die Solidarität gilt heute den Menschen in dem autoritär regierten Land.
Diese Programme ermöglichen es jungen Menschen, einen konkreten Friedensdienst zu leisten in einem internationalen Workcamp oder durch ein Freiwilliges Internationales Jahr. Friedensfachkräfte unterstützen Projekte von Partnern über mehrere Jahre mit ihrer Expertise. Sie erleben konkret, wie Potentiale für mehr Gerechtigkeit und Frieden gehoben werden.
Die Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher Initiativen sind begrenzt, umso wichtiger ist es, dass auch seitens der Politik Friedenspotentiale genutzt werden. Der Mainstream geht seit vielen Jahren Richtung Machtpolitik, Krieg und Androhung von Gewalt sowie Aufrüstung. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat dem in Europa einen Schub gegeben. Die Folgen dieser Politik sind fatal: Abgesehen von den vielen Opfern von Kriegen verursachen sie und bereits das Vorhalten von Militär einen immensen Ressourcenverbrauch, Umweltzerstörung und hohe CO2-Emissionen, fehlende Finanzmittel für Klimawandel, Soziales, Gesundheit, Armutsbekämpfung u.a.m. Die Gefahr einer Eskalation von (weiteren) Konflikten bis hin zum Einsatz von Nuklearwaffen steigt permanent. Damit einher geht eine Schwächung internationaler Institutionen und Verträge. Auch die EU, die sich als Friedensprojekt verstand, sieht ihre Aufgabe aktuell offenbar vor allem darin, die Aufrüstung ihrer Mitgliedsstaaten voran zu treiben. Diese sog. Sicherheitspolitik führt de facto zu immer größerer Unsicherheit.
Umso wichtiger ist es die politischen Prioritäten zu verändern. Initiativen für Waffenstillstände und Friedensverhandlungen nicht nur im Ukraine-Krieg sollten seitens Deutschlands und der EU nachdrücklich unterstützt bzw. vorangetrieben werden. Benötigt werden zudem Initiativen im Bereich der Rüstungskontrolle und Abrüstung, anstatt beispielsweise einer (bedingungslosen) Zustimmung zur Stationierung neuer US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland. Dem von sehr vielen Staaten ratifizierte Atomwaffenverbotsvertrag muss eine reale Chance zur weltweiten Umsetzung gegeben werden. Internationale Institutionen wie die Vereinten Nationen oder der Internationale Gerichtshof für Menschenrechte müssen gestärkt werden.
Es gibt ein großes Potential an Instrumenten, Krisen zu verhindern und einen konstruktiven Umgang mit Konflikten zu fördern. Deutschland und vor allem die EU könnten hierzu einen beachtlichen Beitrag leisten, wenn sie sich auf die Bekämpfung der Ursachen von Krisen und Konflikten wie Ungerechtigkeit und Klimakrise konzentrieren und nicht versuchen würden, in dem aktuellen Machtspiel von USA, China, Indien und Russland mit den gleichen militärischen Mitteln mitzuspielen. Stattdessen gilt es u.a., Länder und Institutionen des globalen Südens als Partner zur Bewältigung der weltweiten Herausforderungen zu behandeln, Verständigung und Versöhnungsprozesse zwischen konkurrierenden oder befeindeten Staaten und Bündnissen zu befördern sowie internationale Institutionen und Friedensmissionen zu unterstützen. Zudem sollten verstärkt zivilgesellschaftliche Aktivitäten gefördert werden, die entsprechende Ziele verfolgen, beispielsweise am Zivilen Friedensdienst beteiligt sind.
80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung von dem Nationalsozialismus ist „Komm den Frieden wecken“ ein Aufruf an uns alle, als Individuum, Initiative, Organisation oder in politischer Verantwortung die Friedenspotentiale zu nutzen, die sich bieten. Dies ist nicht nur notwendig, es stärkt auch die Hoffnung, dass wir gemeinsam die großen Krisen und Herausforderungen bewältigen können, vor denen wir stehen – vor Ort und auch weltweit.
Jan Gildemeister
Werde aktiv – Wecke den Frieden!
Mit seinem Text macht Jan Gildemeister deutlich: Friedenspotentiale gibt es – wir müssen sie nur wecken. Gerade in Zeiten zunehmender Krisen und gesellschaftlicher Spaltung sind Mut, Solidarität und gemeinsames Handeln gefragt. „Komm den Frieden wecken“ ist mehr als ein Motto – es ist eine Einladung, sich einzubringen und Teil der Lösung zu sein. Denn Frieden beginnt da, wo Menschen ihn leben.
Der Weg zum Frieden beginnt auch bei uns selbst und in unseren Gemeinschaften. Setzen Sie sich weiter aktiv ein – dort, wo Sie gerade bist:
Organisiere Friedensaktionen – Friedensgebete, Schulprojekte, Mahnwachen oder kreative Initiativen. Jeder Beitrag inspiriert andere und macht einen Unterschied.
Nutze die Materialien der FriedensDekade – Plakate, Postkarten und Arbeitshefte helfen Ihnen, die Botschaft des Friedens zu verbreiten (zum Shop).
Engagieren sie sich in ihrer Gemeinde oder Nachbarschaft – Schaffen Sie Begegnungsräume, fördern Sie den Dialog und zeigen, dass Friedensarbeit Teil des Alltags ist.
Spende für den Frieden – Ihre Unterstützung ermöglicht es uns, Projekte umzusetzen, Materialien bereitzustellen und die Friedensbotschaft weiterzutragen. (jetzt Spenden)
Teilen Sie Ihre Aktionen mit uns! Verlinken Sie uns auf Instagram oder per E-Mail und zeigen sie, wie sie den Frieden wecken. Gemeinsam setzen wir ein starkes Zeichen für eine friedliche Zukunft!
Frieden braucht uns alle – jetzt mehr denn je.
AUTOR: Jan Gildemeister, ist Vorsitzender des Ökumenische FriedensDekade e. V. und Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF)