Sich festhalten (von Peter Herrfurth, Magdeburg)
Wir alle kleben irgendwo. Die einen am Asphalt, andere an ihrer Überzeugung, die nächsten an der Tradition, ihrer Meinung, der Partei, den Erfahrungen, den Vorurteilen und Erkenntnissen. Wir kleben fest und kriegen die Finger nicht ab.
Vielleicht wollen wir das auch gar nicht. Weil es so schön bequem ist. Ich bin mir ja sicher: „Die anderen sind im Unrecht. Wenn alle so denken wie ich, dann passt es.“
Aber das funktioniert nicht! Wir sehen es gerade bei den Klimaklebern. Sie sind von einer berechtigten Angst getrieben und wollen maximale Aufmerksamkeit dafür. Doch ihr Festkleben auf öffentlichen Straßen führt meist nicht zum Nachdenken, sondern zur Eskalation. Menschen brüllen und zerren genervt an Plakaten und Jacken. Auch sie haben ihre Gründe. Die eine drückt die Arbeitszeit und der Chef, da will ein Vater sein Kind von der Kita abholen. Da fährt jemand sonst immer Bahn oder Rad – aber diesmal war ein Schrank abzuholen, der auf keinen Gepäckträger passt. Und es werden alle pauschal ausgebremst. Verbrenner und E-mobile stehen im gleichen Stau. Manche der Genervten waren sowieso längst sensibel für das Thema. Für sie sind die Klimakleber nicht gewaltfrei.
„Das muss sein! Oder ist das Randale?“ Darüber diskutieren Menschen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag. Auch dieses Thema zerrt an Familien und an unserer Gesellschaft.
Ähnlich, wie vorher die Coronaregeln oder aktuell die Frage nach Waffenlieferungen.
Rio Reiser hat gesungen „Halt dich an deiner Liebe fest.“ Daran sollten wir uns festkleben: An der Liebe zum Leben. An der Liebe zur Schöpfung. An der Liebe zur Achtsamkeit. An der Liebe, die alle Gewalt überwindet. An der Liebe, die uns von festen Haltungen löst und frei macht für ein echtes Miteinander.
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Peter Herrfurth, Landesjugendpfarrer der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland